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Unternehmensnachfolge als Alternative zur Gründung?

Dienstag, 18. September 2018

Wie und wo man Unternehmen kennenlernen kann, welche Voraussetzungen du mitbringen musst, ob Team-Gründungen möglich sind und welche Vor- und Nachteile diese Form der Gründung birgt, erfährst du in diesem Interview.

Im Interview: Andreas Lehrmann (Nachfolgeexperte der IHK Potsdam)

Es wird ein Pitch zur Unternehmensnachfolge auf der deGUT 2018 geben – Wie kann ich mir das vorstellen?

Unser Pitch besteht aus einer kurzen Präsentation der Nachfolgeidee. Pitchen werden sowohl Unternehmer*innen, die ihr Unternehmen abgeben möchten, als auch Nachfolgeinteressenten, die eine Firma suchen. Die Teilnehmer*innen haben 5 Minuten Zeit, ihren Wunsch präzise auf den Punkt zu bringen. Eine Präsentation darf eingesetzt werden.

Werden die Teilnehmer*innen zuvor noch einmal geschult oder instruiert?

Sie werden nicht gecoacht, aber sie erhalten Hinweise, welche Inhalte im Pitch vorkommen sollten.

Worin liegt der Mehrwert bzw. der „Gewinn“ für den Pitcher?

Der Mehrwert liegt in einem vielseitigen und qualitativ hochwertigen Feedback der Jurymitglieder sowie in der Chance, erste Kontakte zu Firmen zu knüpfen. Die Jurymitglieder besitzen alle unterschiedliche Expertisen, es sind beispielsweise Vertreter von Banken und Nachfolgespezialisten vor Ort, die aufgrund ihrer Erfahrung dem Pitcher ein wertvolles Feedback geben können. Im besten Fall finden Nachfolgeinteressierte den Kontakt zu einer Firma direkt vor Ort oder sie erhalten einen wertvollen Kontakt über ein Jurymitglied.

Worauf bezieht sich das Feedback der Jurymitglieder, wenn ich noch keine konkrete Firma in Aussicht habe?

Das Feedback kann sich auf seine/ihre Qualifikationen, seine/ihre Unternehmerpersönlichkeit oder auf die Qualität seines/ihres Pitches beziehen. Der- oder diejenige mit konkreteren Vorstellungen zu einer bestimmten Firma könnten darüber hinaus etwa Finanzierungs-, Fördermittel- oder Verhandlungshinweise erhalten. Das Jurymitglied der Förderbank kann über Zuschüsse sprechen, Informationen zum Erwerb von Immobilien geben oder zu zinsgünstigen Krediten informieren.

Wie kann ich mich bewerben?

Über die Veranstaltungsdatenbanken der Kammern aus Brandenburg ist eine Anmeldung bis 28. September noch möglich. Wer sich noch nicht zutrauen sollte zu pitchen, aber trotzdem neugierig ist, kann sich als Zuschauer im Publikum anmelden. Informationen und eine Weiterleitung zur Anmeldung finden sich auch auf der Website der deGUT (Veranstaltung: „Pitch me!“).

Junge*r Gründer*in sein und Unternehmensnachfolger*in werden – ist das nicht ein Widerspruch?

Junge Leute haben dennoch eine Chance. Aber natürlich besteht ein höheres Risiko, wenn der/die Kandidat*in verhältnismäßig unerfahren ist. Doch dieses Risiko kann man mit einer längeren Übergabe- und Einarbeitungszeit (beispielsweise 2 bis 5 Jahre) verringern. So kann der/die Nachfolger*in in Ruhe die Geschäftsprozesse als auch die Mitarbeiter und Bestandskunden des Unternehmens kennenlernen. So kann auch in Ruhe geschaut werden, ob Nachfolger*in und Unternehmen wirklich zusammenpassen.

Also steht ein jüngeres Alter einer Nachfolge nicht entgegen?

In der Regel sind Betriebsnachfolger*innen zwischen 38 und 42 Jahre alt. Ich habe aber auch Fälle begleitet, in denen sehr junge Nachfolger eingesetzt wurden, die zum Beispiel erst 24 Jahre alt waren. Bei einer Firma aus Potsdam hat eine Mutter gemeinsam mit ihrem Sohn diese Firma übernommen. Der Sohn kam direkt vom Studium und behandelte zufällig das Thema „Unternehmensnachfolge“ in seiner Abschlussarbeit, das ihn nicht mehr losgelassen hatte. Heute sind sie sehr erfolgreich am Markt und haben größere Investitionen getätigt. Wie bei Team-Gründungen sind also auch Team-Nachfolgen eine Möglichkeit der Selbständigkeit.

Eine Team-Unternehmensnachfolge, in der sich die betreffenden Nachfolger*innen mit ihren Fähigkeiten und Erfahrungen ergänzen, klingt sehr spannend!

Ja – wir haben auch in unserem IHK-Nachfolgerpool Personen, die als Team eine Nachfolge suchen, weil sie sich sehr gut ergänzen. In der Gastronomie und Hotellerie kommen Team-Nachfolgen sehr häufig vor.

Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen? Was muss ich mitbringen?

Es ist ganz wichtig zu schauen, ob sich beide Beteiligten sympathisch sind. So ergibt sich eine gute Grundlage und vor allem auch Vertrauen, um weitere Entscheidungen treffen zu können. Ähnlich wie bei einer Neugründung sollte man für eine Übernahmeidee brennen, d. h. Ausdauer mitbringen sowie in der Lage sein, gut zu kommunizieren und zu wissen, was man will. Und es ist wichtig, feinfühlig gegenüber dem/der Unternehmer*in zu sein. Für den Abgebenden ist es häufig ein Lebenswerk, das entsprechend anerkannt werden sollte – auch wenn Änderungsbedarfe festgestellt werden. Immerhin hat hier ein Unternehmer*in eine Firma vor 20 oder 30 Jahren gegründet, die heute noch am Markt existent ist. Das schaffen heute nur wenige Unternehmensgründungen.

Je nach Branche sollte der/die Nachfolger*in die entsprechenden fachlichen Qualifikationen mitbringen. Quereinsteiger sind in einigen Branchen natürlich auch denkbar, so im Handel oder der Gastronomie. Dort werden dann aber bestimmte Fähigkeiten gefordert.

Viele junge Gründer*innen bringen ihre eigenen Ideen und Vorstellungen mit, wie sie ihre Arbeit gestalten wollen. Wie schätzt du die Gestaltungsspielräume für einen Nachfolger ein?

Man muss sich im Klaren sein, dass es eine andere Art der Selbstständigkeit ist. Eine Nachfolge anzutreten bedeutet, ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen und erst einmal fortzuführen. Später können sicherlich eigene Ideen umgesetzt werden. Viele können sich das nicht vorstellen, weil sie ihre eigne Gründungsidee umsetzen wollen und die sind oft mit bestehenden Firmen nicht identisch.

Wo liegen die Vorteile und wo die Nachteile einer Nachfolge im Vergleich zu einer eigenen Gründung?

Bestehende Firmen bieten oft eine bessere Grundlage, um in den Markt einzusteigen, weil vorhanden. Wenn Märkte zum Beispiel stark gesättigt sind, sind die Eintrittsbarrieren für neue Wettbewerber sehr hoch. Bei einem bestehenden Unternehmen können zum Beispiel bereits existierende Kunden, erfahrene Mitarbeiter oder geschäftliche Beziehungen mit übernommen werden. Immerhin hat es diese Firma geschafft, in den letzten Jahren am Markt zu bestehen. Man beginnt nicht bei „Null“, sondern steigt direkt ins Geschäft ein. Hinzu kommt, dass man bereits ab dem ersten Tag der Übernahme Umsätze bzw. Gewinne generieren kann.

Eine Herausforderung liegt natürlich darin, dass von Anfang an höhere Anforderungen an die Person des/der Nachfolgers*in gestellt werden, beispielsweise in der Mitarbeiterführung. Außerdem sind in der Regel höhere Investitionskosten notwendig, da sich der Wert der Firma einschließlich des Bestandes an Wirtschaftsgütern, Fahrzeugen, Maschinen, Ausstattung etc. im Kaufpreis ausdrückt. Ein Gründer, der seine eigene Firma ins Leben ruft, benötigt meist weniger finanzielle Mittel. Andererseits ist eine Firmenübernahme bei der Beantragung von Krediten von Vorteil, da der Wert der Firma als Sicherheit gilt und außerdem bestehen bereits betriebswirtschaftliche Unterlagen, also reale Zahlen, die eine gute Grundlage für eine Risikoeinschätzung und für Zukunftsprognosen liefern.

Wie hoch sind denn die durchschnittlichen Finanzierungskosten?

Die Bandbreite liegt zwischen 10.000 – 500.000 €, aber auch Finanzierungen von 1 bis 5 Millionen kommen vor. Im Kammerbezirk Potsdam existieren viele Kleinst-, Klein- und Mittelständische Unternehmen. Für die Übergebenden steht der Kaufpreis nicht immer im Vordergrund. Häufig wünschen sie sich auch einfach, dass die Firma angemessen fortgeführt wird und weiterlebt. Es gibt auch viele Kleinstfinanzierungen bis 25.000 € und Finanzierungen die bis ca. 100.000 €. In vielen Fällen ist ein gewisses Eigenkapital notwendig, in einigen nicht zwingend einzubringen. Es existieren Förderkredite zu sehr zinsgünstigen Konditionen, z. B. den Mikrokredit Brandenburg oder aber das KfW-Startgeld, das nicht nur für Gründer*innen interessant ist, sondern auch für Nachfolgen beantragt werden kann.

Mal abgesehen vom Pitch auf der deGUT: Wie und wo kann ich Unternehmer*innen kennenlernen, die Nachfolger suchen?

Es gibt Unternehmensnachfolgebörsen, also Plattformen mit Unternehmensangeboten und Gesuchen, kostenfrei und anonym, wie die „www.nexxt-change.org“-Börse. Weiterhin kann man sich bei den IHKn von Nachfolgeberatern umfassend beraten lassen. Für die Region Westbrandenburg können sich Interessierte gern an mich wenden. Wir haben zusätzliche Kontakte zu suchenden Unternehmen, da nicht jedes Unternehmen inseriert und in der Börse zu finden ist. Weiterhin kann man sich in einen sog. Nachfolgerpool aufnehmen lassen, der weitere Serviceangebote bei der Suche nach einem geeigneten Unternehmen bereit hält.

Vielen Dank Andreas für dieses interessante Interview!

Wir sprachen mit

Andreas Lehmann

Referent Unternehmensnachfolge

Fachbereich Existenzgründung & Unternehmensförderung

Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam

Tel.: 0331 2786-167

Mail: andreas.lehmann@ihk-potsdam.de

Datum des Interviews: 14.09.2018

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