Logo

Die Gründungs­zeit war ein Or­kan der Ge­fühle

Donnerstag, 02. Mai 2019

Elisabeth Baumgart hat vor drei Jahren die Schmuckgefährten Goldschmiede eröffnet. Als gelernte Goldschmiedin stellt sie die Schmuckstücke für ihr Geschäft selbst her. Zwei Säulen haben sie durch die Gründungszeit getragen... Mehr erfahren.

Liebe Elisabeth, wie kam es, dass du die Schmuckgefährten Goldschmiede gegründet hast?

Ich bin gelernte Goldschmiedin (vor 10 Jahren) und hatte verschiedene Arbeitsstellen nach der Ausbildung. Ich habe vor der Gründung zwei Jahre im hochpreisigen Segment im Kaufhaus des Westens (KDW) gearbeitet, im Verkauf. Ich stand dort jeden Tag im Gang und machte immer das Gleiche. Nach zwei Jahren fragte ich mich, ob es das ist, was ich bis an mein Lebensende machen will? Die Antwort war nein. Dennoch war diese Station sehr wichtig für mich, denn ich habe dort den Feinschliff im Verkauf gelernt. Das hilft mir jetzt natürlich in meinem eigenen Laden weiter.

Das heißt, du warst zwei Jahre gar nicht als Goldschmiedin tätig?

Genau, ich habe nur im Verkauf gearbeitet und mir verschiedene Fähigkeiten wie Präsentationstechniken und den professionellen Umgang mit Kunden angeeignet. Diese zwei Jahre waren wie eine Findungsphase, denn ich habe mich gefragt, ob ich das Goldschmieden aufgebe, um etwas ganz Anderes zu machen.

Die Leidenschaft für dein Handwerk hatte dann aber Bestand?

Sie war nie weg. Ich wusste nur nie, wo mein Platz sein würde. Aber dann fasste ich den Beschluss, mein eigenes Schmuckgeschäft zu gründen. Den Schmuck für meine Laden stelle ich selbst her.

Wie kamst du zu Enterprise?

Nach 1 ½ Jahren KDW wusste ich, dass ich jemanden brauchen, der mich beraten und mir einen Fahrplan an die Hand geben kann. Das habe ich bei Enterprise gefunden. Ich habe dann aber 40 Stunden in der Woche weitergearbeitet und parallel meinen Businessplan geschrieben.

Wann hast du angefangen, nach einer Immobilie zu schauen?

Es war Sommer und ich war noch dabei, meinen Businessplan zu schreiben. Parallel habe ich eine Immobilie gesucht. Damals wohnte ich noch in Berlin, wollte aber gern nach Potsdam ziehen. Im Dezember habe ich meinen Laden bezogen. Genau ein Jahr nach meinem Beschluss, mich selbstständig zu machen, habe ich eröffnet.

Wie war diese Zeit kurz vor Eröffnung für dich?

Es lagen vier Monate zwischen dem Einzug in den Laden und der Eröffnung. Diese Zeit war extrem intensiv für mich, weil ich realisierte, dass es ab jetzt kein Zurück mehr gab. Diese Phase war mit vielen Gefühlen und Ängsten verbunden. Und ich realisierte irgendwann, dass ich den Eröffnungstermin immer wieder verschob. Unterbewusst spürte ich wohl, dass ich jetzt zu meinem Projekt stehen und mich öffentlich zeigen muss.

Welche Ängste und Gedanken hattest du in dieser Zeit?

Ich fragte mich: Schaffe ich das, kann ich davon leben, kommt mein Sortiment bei den Kunden an, bin ich hier richtig, ist der Standort in Ordnung, habe ich alles richtig entschieden und so weiter. Es waren unglaublich viele Zweifel. Ich habe die Gründungsphase als etwas empfunden, was mich extrem durchgeschüttelt hat. Es zerrte an allen Ecken und Enden an mir und ich stand in diesem Orkan der Gefühle und musste schauen, dass ich dabei nicht untergehe und das Ding zum Laufen bekomme.

Was hat dir dabei geholfen, weiterzumachen?

Ich hatte Freunde und Familie an meiner Seite, die mich ermutigt und dabei unterstützt haben, weiterzumachen und mich zusammenzureißen.

Was hat dir in der Gründungsphase am meisten geholfen?

Es gibt zwei Säulen, die in der Gründungsphase wichtig sind:

Die erste Säule ist dein Umfeld. Frag dich, ob du auf der emotionalen Ebene Freunde und Familie hast, die dich unterstützen? Das ist die erste gute Voraussetzung.

Mir gab es sehr viel Halt zu wissen, dass andere hinter mir stehen und für mich da sind. Das habe ich als unglaublich heilsam empfunden. Ohne diesen Halt hätte ich es vielleicht nicht geschafft - oder zumindest mit viel mehr Substanzverlusten.

Die zweite Säule ist die professionelle Beratung. Ein Berater, der dich nicht kennt und dein Projekt fachlich einschätzen kann. Er gibt dir Hinweise und zeigt dir, woran du noch nicht gedacht hast. Anfangs habe ich mir von Freunden und der Familie Rat geholt. Doch ich habe schnell gemerkt, dass es mir nicht weiterhilft und ich mich im Kreis drehe. Es kostete viel Energie und ich hatte immer den gedanklichen Konflikt, nicht zu wissen, wie ich mich erkenntlich zeigen soll.

Außerdem kann ich empfehlen, verschiedenste Stellen anzufragen. Mir hat der Mix aus Enterprise und der Handwerkskammer sehr weitergeholfen. Denn als es um die Finanzierung ging, habe ich bei der Handwerkskammer Menschen getroffen, die sehr ehrlich und gerade heraus waren. Die konnten aufgrund ihrer Erfahrung mit dem Handwerk konkret sagen, welche Zahlen realistisch sind und was ich unbedingt noch in den Businessplan reinnehmen muss.

Und dann kam die Eröffnung…

Es war der 30. April und großartiges Wetter. Ich habe an diesem Tag die Türen geöffnet und da kam ein Pärchen wie selbstverständlich herein und ich hatte direkt meinen ersten Auftrag in der Tasche – noch bevor die offizielle Eröffnungsfeier überhaupt losging!

Das war ein toller Anfang!

Genau und eine schöne Feier durchzuführen ist so wichtig, um sich für die harte Arbeit zu belohnen. Die Wochen nach der Eröffnung waren richtig heftig. Ich war in einer emotionalen Achterbahn gefangen. Ich kann allen Gründern empfehlen, in den Wochen nach dem Start auf ihr Leben aufzupassen. Ich habe nahezu alles und jeden infrage gestellt, die Teil meines Lebens waren, mein Leben hat sich um 180 Grad gedreht. Aber am Ende habe ich alles wieder hinbekommen.

Wie lief der Laden nach der Eröffnung? Hattest du noch große Existenzängste?

Ich denke, 90 Prozent der Selbstständigen haben immer wieder Existenzängste. Das ist ein Auf und Ab und gehört einfach dazu. Du wirst immer wieder Phasen haben, in denen keine Kunden kommen.

Was ist wichtig, wenn es mal nicht läuft?

Du darfst nicht in Schockstarre verfallen, solltest ruhig bleiben und weitermachen. Es ist wichtig, nach Lösungen zu suchen bzw. Maßnahmen zu ergreifen, um deine potenziellen Kunden wieder auf dich aufmerksam zu machen, zum Beispiel Blogeinträge schreiben oder Anzeigen schalten. Manchmal reicht es aber auch einfach zwei Tage abzuwarten.

Spätestens nach der Gründungsphase solltest du dir ein Netzwerk mit anderen Selbstständigen aufbauen, mit denen du ehrlich über dein Business reden und auch mal dein Herz ausschütten kannst. Die Erfahrungen und Tipps von anderen helfen dir am Ende am meisten weiter, weil sie es selbst schon erlebt haben. Das hilft mir auch heute noch.

Bist du Mitglied in einem bestimmten Unternehmernetzwerk?

Nein, bisher habe ich das eher vermieden. Ich habe mir außerhalb davon ein Netzwerk aufgebaut. Über euch habe ich viele Leute kennengelernt. David Immel (Sumid Consult) zum Beispiel, der mir den Netzwerkgedanken geprädigt hat. Allerdings war es damals zur Eröffnung noch nicht notwendig. Mein Bauchgefühl zeigte mir den richtigen Zeitpunkt.

Was waren deine größten Learnings?

Ich bin seither viel offener geworden. Und ich musste lernen zu akzeptieren, dass man niemals mit der Arbeit fertig wird und damit trotzdem zufrieden ist.

Liebe Elisabeth, vielen Dank für das tolle Interview und die vielen spannenden Einblicke in deine persönlichen Erfahrungen. Wir wünschen dir weiterhin sehr viel Erfolg!

KONTAKT

Schmuckgefährten Goldschmiede

Wattstr. 6 | 14482 Potsdam-Babelsberg

Telefon: 0331 23162316

Website: https://www.schmuckgefaehrten.de/

Das Interview führte Linda Pförtner von Enterprise (pfoertner@socialimpact.eu) am 15. Februar 2019

Zurück